Binta (mit Kopftuch), Fatou Mery im dunklen Kleid rechts neben ihrer Mama

Die Situation im Senegal – 1. Halbjahr 2021

Malika Vision ermöglicht 40 Kindern und Jugendlichen eine Schul- bzw. Berufsausbildung in Malika und Dakar. Es ist mir aber auch ein großes Anliegen, den Familien zu helfen, ihre Lebensumstände zu verbessern. Letztes Jahr haben wir zwei Parzellen Land gekauft, seit mehreren Wochen kann die erste Ernte eingefahren werden. Die Felder liegen einige Kilometer von Malika entfernt und sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln schwer zu erreichen. Mincady fährt daher jeden Mittwoch nach Boun zu den Feldern und transportiert die Waren per Pferdekutsche und Bus nach Malika. Jede Woche ist eine andere Familie mit der Lieferung an der Reihe. Einmal die Familie von Bouya, dann die Familie von Ndeye Sokhna und auch Ibous Großmutter wird bedacht.

Die Familien verkaufen einen Teil der Waren, einen Teil essen sie und kommen auf diese Weise in den Genuss vitaminreicher Nahrung. Die Grundnahrungsmittel der armen Menschen bestehen aus Reis, Milchpulver und Zucker.

Langfristig planen wir, noch mehrere Parzellen zu kaufen, damit ein großer Teil unserer Familien in Malika zu Selbstversorgern wird, auch vor dem Hintergrund von Bill Gates gescheiterter Agrarpolitik in Afrika:
https://www.spiegel.de/wirtschaft/agrarallianz-agra-leere-versprechen-fuer-afrikas-bauern-a-2132bf23-24c6-4b2e-bde5-a2e9020389f1

Auch die medizinische Versorgung der Familien liegt uns sehr am Herzen. Mincady besucht die Familien wöchentlich, am Donnerstag sucht er die Eltern der Dakarer Kinder auf, am Wochenende fährt er nach Malika. So hat er bei einem seiner Besuche erfahren, dass sich der Gesundheitszustand der schwer an Diabetes erkrankten Oma von Mama dramatisch verschlechtert hat. Seit Wochen leidet sie an einer offenen, schwärenden Wunde am Arm, die nicht heilte. Ich informierte Mamas Patin über die Umstände, sie sagte sofort die Übernahme der Behandlungskosten zu. Inzwischen war Mamas Oma zur ambulanten Behandlung im Krankenhaus (Arztpraxen nach unserem Modell existieren im Senegal nicht), die drohende Amputation des Armes konnte abgewendet werden, und sie wird nun dank Malika Vision einmal wöchentlich das Krankenhaus aufsuchen, um die Wunde kontrollieren und versorgen zu lassen.

Es ist wichtig zu wissen, dass die Großmütter in Afrika eine sehr bedeutende Rolle spielen. Sie kümmern sich um die Kinder, wenn die Eltern ihren schlecht bezahlten Tagelöhnerjobs nachgehen, und sind für die Geschicke der Familiengemeinschaften häufig in hohem Maße verantwortlich. Mincady wuchs zwar im Elternhaus auf, wurde aber von seiner Großmutter erzogen und schlief auch mit ihr in einem Zimmer. Die Mutter spielte in seinem kindlichen Leben keine große Rolle.

Mbuegue, ein Mädchen aus Malika, hat seit längerem Probleme mit ihren Augen. Die Eltern sind so arm, dass sie sich einen Besuch im Dakarer Krankenhaus (ein Ticket für einen Arztbesuch kostet 5.000 cfa, das sind ca. 7,60 €, ein Vielfaches von dem, was eine durchschnittliche Familie pro Tag zur Verfügung hat) nicht leisten können. Mincady sprach mich auf dieses Problem an. Mguegue ist nun seit Wochen wegen einer schweren allergischen Erkrankung in Behandlung, Mincady fährt mit ihr und ihrer Mutter alle zwei Wochen zur Kontrolle in das staatliche Krankenhaus in Dakar. Solche Besuche sind tagesfüllend. Morgens fährt Mincady in das Krankenhaus und besorgt sich ein Ticket. Darauf wird die Platznummer vermerkt. Allerdings beginnt der Arzt erst am frühen Nachmittag mit der Behandlung, da er vormittags in einem anderen Dakarer Krankenhaus tätig ist. Mincady fährt mit dem Ticket wieder nach Hause und trifft sich zum Sprechstundenbeginn mit Mbuegue und ihrer Mutter im Krankenhaus. Dann beginnt die nervenzehrende Wartezeit in der Wartehalle, in der eine Totenstille herrscht und niemand zu sprechen wagt. Der Respekt vor der Ärzteschaft ist in einem armen Land wie dem Senegal enorm.

Die Covid-19-Situation ist alles andere als beruhigend, Präsident Macky Sall hat sich aber dazu entschlossen, diese Erkrankung zu ignorieren, nachdem es im März zu schweren Ausschreitungen junger, frustrierter Demonstranten im ganzen Land gekommen ist, weil sich die wirtschaftliche Situation im Land seit Beginn der Pandemie erheblich verschlechtert hat. Ein Teil dieser mutigen jungen Leute ist immer noch inhaftiert, die politische Lage im Senegal kann als instabil bezeichnet werden. Eine Reise nach Dakar ist nach wie vor nicht möglich, wer weiß, wie lange ich mich noch gedulden muss, bis ich unsere Patenkinder und deren Familien wiedersehe.

Herzliche Grüße
Sabine Leibl